Kirche der Zukunft – der Jerusalem-Campus Hamburg
Viele sagen, dass die Kirche der westlichen Welt in einer ihrer schwersten Krisen stecke. Mag sein. Aber könnte es auf diese Situation nicht auch eine ganz mutmachende Sicht geben? Können wir das denken, dass gemäß des biblischen Bildes aus Johannesevangelium 15, dieses ganze schmerzhafte Beschnittenwerden der Kirche kein Zeichen dafür ist, dass der Weinbauer (Gott) seinen Weinberg (Kirche) aufgegeben hat, sondern ganz im Gegenteil für eine hoffnungsvolle Zukunft vorbereitet, um „noch mehr Frucht zu bringen“?
Wie wäre es beispielsweise, wenn mitten im schmerzlichen Rückbau von Kirche in Deutschland, der an vielen Stellen auch notwendig ist, punktuell einige hoffnungsvolle Pilotprojekte gefördert würden, die als Leuchttürme am Horizont herausragten, die anderen Ansporn geben könnten und an denen wir gemeinsam lernen, wie eine Kirche der Zukunft aussehen könnte?
Der Jerusalem-Campus in Hamburg ist so ein hoffnungsvolles Projekt.
Drei Gemeinden unter einem Dach
In der Jerusalem-Kirche sind seit vielen Jahren drei kleine Gemeinden zu Hause: Die Jerusalemgemeinde ist die Stammgemeinde. Seit ihrer Gründung vor rund 100 Jahren ist sie eine Personalgemeinde ohne Pfarrbezirk, welcher der christlich-jüdische Dialog ein besonderes Anliegen ist. Das schlägt sich in allen Gottesdiensten, Bibelstunden und in der Arbeit der Jerusalem-Akademie nieder. Neben der Stammgemeinde nutzt auch die Immanuel-Gemeinschaft die Räume für ihre Gemeindearbeit mit. Sie gehört zur charismatischen Gemeindeerneuerung (GGE), welche geistliches Wachstum und die Innigkeit der Beziehung zwischen Menschen und Gott fördern will. Die dritte Gemeinde ist seit einigen Jahren die Projektgemeinde jesusfriends. Sie gehört zum Evangelischen Gnadauer Gemeinschaftsverband und lädt Menschen ein, Glaube, Gott und Kirche neu zu entdecken und zwar mit Formaten, die zum urbanen postmodernen Lifestyle passen. Alle drei gehören zur Evangelisch-lutherischen Nordkirche und haben zusammen etwa 200 Mitglieder.
Die Krise als Chance zu einem neuen Aufbruch
Mit dem Ziel, einen großen Teil der Gebäude los zu werden, führte der Kirchenkreis Hamburg-Ost vor zwei Jahren den so genannten Gebäudeprozess durch. Dieser stufte Kirchengebäude nach ihrer Substanz und Bedeutung ein. Nicht bewertet wurde dabei die inhaltliche Arbeit oder ob eine Gemeinde ein Zukunftskonzept hat. Die Jerusalem-Kirche fiel unter die Kategorie „nicht weiter förderungswürdig“. Damit stellte sich für alle drei Gemeinden die Frage nach ihrer Zukunft. Die Infragestellung des Standorts Jerusalem-Kirche erschien uns umso absurder, weil im Gegensatz zum allgemeinen „Weiterso, aber mit begrenzen Mitteln“ unter den drei Gemeinden in der Jerusalem-Kirche schon länger Ideen diskutiert wurden, die ein Alleinstellungsmerkmal für diesen Ort darstellen und ihn zukunftsfähig macht. Die Krise wurde zum Auslöser, diese Ideen jetzt umso zügiger und mutig weiter zu verfolgen. Uns war bewusst, dass die Kirche als gesamte aber auch wir als Ortsgemeinde nicht rein durch Sparmaßnahmen zukunftsfähig würde, sondern durch neue Ideen und Angebote, sowie eine Rückbesinnung auf den Kernauftrag, den wir vom Evangelium her haben.
Welche wichtigen kirchlichen Zukunftsfragen lösen wir für uns und bieten damit gleichzeitig einen Erprobungsraum, an dem die ganze Kirche für ihre Zukunftsfragen modellhaft lernen kann?
- Die Finanzierungsfrage lösen – wir müssen unabhängiger von der Kirchensteuer werden und mit Ressourcen schonend umgehen. Wir können es uns z.B. nicht mehr leisten, dass eine Kirche nur am Sonntagvormittag genutzt wird. In der Jerusalem-Kirche erzielen wir Synergieeffekte, weil durch die Kooperation von drei Gemeinden jeden Sonntag drei unterschiedliche Gottesdienste stattfinden. Auch der Mittwoch wird fast ganztägig von den Gemeinden bespielt. Umgekehrt werden an den anderen Tagen Räume vermietet. So erschließen wir uns einerseits neue Einkommensquellen, anderseits entstehen dadurch Begegnungen mit Menschen und neue Vernetzungen.
- Dem Pastorenmangel begegnen – alle drei Pastoren in der Jerusalem-Kirche haben keine Vollanstellung in der Gemeinde. Sie können nicht alles machen, die Gemeindeglieder sind selbst aufgefordert. Die Kirche der Zukunft wird wieder viel stärker eine Beteiligungskirche aus einem Mix aus freiwilligen Mitarbeitern, bezahlten, teilbezahlten und ehrenamtlichen Pastorinnen und Pastoren. Hierzu ist nötig, dass Hauptamtliche nicht mehr Macher, sondern Trainer sind. Die zukünftige pastorale Hauptaufgabe wird sein, die Gemeindeglieder für ihre Aufgaben zu motivieren, auszubilden und zu begleiten.
- Eine neue Antwort auf die Frage nach dem Auftrag der Kirche finden – wer im großen Stil kürzen und streichen muss, muss nach Prioritäten fragen. Was ist uns als Kirche das Wichtigste? In der Jerusalem-Kirche haben wir die Erfahrung gemacht, dass uns dies zu unserem Kernauftrag zurückbringt, welcher uns vom Evangelium her gegeben ist. Sich auf das Wesentliche zurückbesinnen muss kein Schaden sein. Im Gegenteil. Aus diesem Zurückgeworfensein erwächst neue Kraft für Innovation und Mission. Es geht um eine neue Sprachfähigkeit mit und für interreligiöse Partner und Zeitgenossen bei gleichzeitigem Stärken der biblisch-christlichen Kernbotschaft.
- Tradition und Innovation zusammenbringen – keine Frage, die Kirche muss noch viel mehr in der Welt des 21. Jahrhunderts ankommen. Viele Menschen können mit den kirchlichen Formen und ihrer Sprache nicht mehr viel anfangen. Umgekehrt muss Kirche schon Kirche bleiben und darf nicht beliebig dem Zeitgeist verfallen. Die Jerusalem-Kirche ist über 100 Jahre alt und ihre drei Gemeinden spiegeln die ganze Bandbreite der Generationen wider. Gemeinsam haben wir einen Weg gefunden, in unseren Veranstaltungsformaten oder in der Gestaltung der Räume Tradition und Innovation zu versöhnen. Hier wollen wir weiter mutig experimentieren.
- Leer stehende Kirchen sinnvoll nutzen – in der EKD wird gesagt, dass bis 2030 30% der kirchlichen Gebäude abgegeben oder umgenutzt werden müssen. Wem gehören eigentlich die Kirchen? Na, der Kirche. Aber wer ist „die Kirche“? Eigentlich doch die Kirchenmitglieder, also wir alle. Übrig gewordene Kirchen sollten den Menschen überlassen werden. In der Jerusalem-Kirche experimentieren wir mit einem Konzept aus offener Kirche, Vermietungen und Selbstnutzung durch die Gemeinde. Neben dem kirchlichen Gebrauch für Gottesdienste wird die Jerusalem-Kirche vermietet und steht der Nachbarschaft als Treffpunkt und Begegnungsort im Stadtteil offen.
- Mitgliederschwund begegnen, Konfessionalismus überwinden – in den großen Städten und im Osten Deutschlands, wo die Kirche unter 40 und unter 30 Prozent Mitglieder hat, kann man kaum noch angemessen von Volkskirche sprechen. Kirche hat Mitglieder und Vertrauen verloren. Das heißt, sie muss wieder neu auf die Menschen zugehen. Zudem kann sie es sich nicht leisten, Grabenkämpfe zu führen, sondern muss mit anderen ökumenisch zusammenarbeiten. Durch die ökumenische Kooperation dreier Gemeinden in der Jerusalem-Kirche üben wir uns hierin. Durch die ökumenische Zusammenarbeit können wir den unterschiedlichen Menschen im Stadtteil mit einem vielfältigeren Angebot begegnen und schaffen es so auch, vielfältigere Zugangswege zu Glauben, Gott und Kirche zu ermöglichen.
- Andere evangelische Gemeinden oder Gruppen in die Kirche integrieren – die Jerusalem-Gemeinde kooperiert mit zwei Gemeinden, bzw. Gemeinschaften (Immanuelgemeinschaft/charismatisch, jesusfriends/pietistisch). Davon profitierten beide Seiten. Gemeinsame Klammer ist die Gemeindemitgliedschaft in der Jerusalem-Gemeinde, obwohl die Kooperationsgemeinden als e.V. eine eigene Rechtsform behalten. Am Jerusalem-Campus haben wir also einen Weg gefunden, wie Kirche anderen evangelischen Gruppen oder Gemeinden (bspw. auch internationale Migrantengemeinden) nicht nur Räumlichkeiten zur Verfügung stellt, sondern diese Gruppen einlädt, Teil der Kirche zu werden. Vor allem angesichts der Herausforderung, Kirchengebäude sinnvoll zu nutzen, könnte das ein Modell sein, nicht nur Kirchengebäude sinnvoll abzugeben, sondern auf so einem Wege ganze Kerngemeinden in der Kirche zu beheimaten und neue Mitglieder zu gewinnen.
- Kirche vor Ort in einer digitalen Welt gestalten – wenn ein Mensch in einer vergangenen Zeit wissen wollte, wie er in den Himmel kommt, hatte er nur eine einzige Möglichkeit, an diese Information zu kommen: Er musste um 10 Uhr in eine Kirche gehen, denn dort war der Experte, der ihm das sagen konnte. Dieses Monopol hat die Kirche verloren. In einer digitalen Welt ist alles Wissen im Netz verfügbar. Die Menschen brauchen Kirche und Gottesdienste hierfür nicht mehr. Trotz allem sehen Gottesdienste und Kirchen sehen immer noch so aus, als ginge es vor allem um Informationsvermittlung. In der Jerusalem-Kirche wollen wir digitale Angebote ausbauen, anderseits setzen wir auf z.B. auf Gottesdienstformate, die betonen, was das Internet nie wird leisten können: Dialogelemente, Interaktion, Glauben erleben, Gefühle, Berührungen, Austausch – „… schmecken und sehen, wie freundlich der Herr ist“.
Wie sie mithelfen können, diesem Pilotprojekt eine Chance zu geben
Trotz dem, dass die Jerusalem-Gemeinde zur Ev. Luth. Nordkirche gehört, trägt sie als Personalgemeinde ohne Pfarrbezirk mit ihren rund 100 Mitgliedern bis auf einen zu vernachlässigenden Betrag sämtliche Personal- und Gebäudekosten aus eigenen Ressourcen. Hinzu kommen die Ressourcen der beiden Kooperationsgemeinden Immanuelgemeinschaft und jesusfriends mit noch einmal rund 100 Mitgliedern. Was hier geleistet wird ist beachtlich, aber es wird nicht reichen, diesen besonderen Standort eine Zukunft zu geben.
Die Evangelische Kirche in Mitteldeutschland (EKM) setzt schon länger auf solche „Erprobungsräume“. Ziel ist es, nicht nur ganz konkret neue Formen von Kirche zu wagen, sondern anhand dieser Projekte als Gesamtkirche daran zu lernen und zu profitieren. Diese sogenannten Erprobungsräume sind in der EKM zu einem Schlüssel für die Kirche der Zukunft geworden.
Die Anglikanische Kirche in England setzt mit ihren „Fresh expressions of church“ noch länger und äußerst erfolgreich auf solche Projekte die immer mehr auch in Deutschland Fuß fassen. Dort geht es darum, als Kirche neue Wege zu den Menschen zu finden und zwar mit neuen Formen von Kirche, die die Parochialgemeinden ergänzen (Mixed Economy). In England sind mehrere tausend solcher neuer Gemeinden entstanden und bilden heute einen wesentlichen Baustein dafür, den Rückgang an Gemeinden und Mitgliedern aufzufangen. Die Fresh-Expressions-Bewegung ist in verschiedenen Landeskirchen äußerst positiv aufgenommen worden, leider noch viel zu wenig in der Nordkirche, dabei steht der Jerusalem-Campus über Reinhard Brunner und jesusfriends in enger mit Fresh-Expressions of Church.
Welcher Partner möchte mit uns dieses vielversprechende Projekt „Jerusalem-Campus – Kirche der Zukunft“ langfristig verwirklichen. Insbesondere geht es darum, die Personalkosten zu tragen und die denkmalgeschützte Kirche zu erhalten und zukunftsfähig zu machen.
Bitte sprechen Sie uns an.
Jerusalem-Campus e.V.
Reinhard Brunner
040 33 450 387
kontakt@jerusalem-campus.de